Shaun Tan: „Unsere Expedition“

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Shaun Tan: „Unsere Expedition“

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Das sagt die Autorin über das Modul

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Hast du dir schon einmal überlegt, wie es wäre, wenn die Welt doch nicht so wäre, wie du sie kennst? 
Lasse dich mitnehmen auf eine Expedition ins Ungewisse!

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Hattest du schon einmal einen Straßenatlas in der Hand? Diese Bücher wurden früher häufig benutzt, weil es noch keine Smartphones oder Navigationsgeräte gab. So sieht die Seite eines Straßenatlas aus: 

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Unsere Expedition

von Shaun Tan

1 Mein Bruder und ich konnten locker Stunden damit verbringen,2 über den korrekten Text von einem Fernsehjingle zu streiten,3 über die Unmöglichkeit, ein Gewehr in den Weltraum abzufeuern,4 darüber, wo die Cashewnüsse herkommen oder ob wir damals5 im Pool des Nachbarn tatsächlich ein Salzwasserkrokodil6 gesehen hatten. Einmal hatten wir einen Riesenstreit7 darüber, warum das Straßenverzeichnis in Dads Auto auf8 Seite 268 aufhörte. Ich hatte behauptet, dass offensichtlich9 ein paar Seiten rausgefallen waren.10 Die Seite 268 selbst war voll mit Straßen, Alleen,11 Wegen und Sackgassen, bis zum Rand – es war also nicht12 so, als wäre sie im Nichts verlaufen. Das war doch Unsinn.13 Doch mein Bruder bestand mit einem aufreizenden Autoritätston,14 in dem sich viele ältere Brüder gefallen, darauf, dass15 die Karte korrekt war, weil sonst oben auf der Seite16 ein kleingedrucktes »schließt an Seite 269 an« gestanden17 hätte. Wenn die Karte sagt, es ist so, dann ist es so.18 So war mein Bruder meistens.19 Ärgerlich.20 Es folgte ein Wortwechsel: »Das stimmt« – »nein« –21 »doch« –22 »nein« – »doch« – »nein« – ein Pingpong-Mantra beim23 Abendessen, beim Computerspielen, beim Zähneputzen und24 auch als wir hellwach in den Betten lagen und durch25 die dünne Trennwand zwischen unseren Zimmern riefen,26 bis Dad sauer wurde und sagte, wir sollten damit aufhören.27 Schließlich kamen wir überein, dass es nur eine Lösung28 gab:29 Selbst nachsehen. Per Handschlag vereinbarten wir eine30 gewaltige Zwanzig-Dollar-Wette, eine Riesensumme, selbst31 wenn wir uns unserer Sache sicher waren, und planten32 eine offizielle wissenschaftliche Expedition in die33 mysteriösen Vorstädte.34 Mein Bruder und ich fuhren mit dem Bus 441 bis zur35 Endhaltestelle und gingen von da zu Fuß weiter. Wir36 hatten unsere Rucksäcke mit allem Nötigen für so eine37 Reise gefüllt: Schokolade, Orangensaft, kleine Schachteln38 Sultaninen und natürlich das umstrittene Straßenverzeichnis.39 Es war aufregend, auf eine richtige Expedition zu gehen,40 als wagte man sich in eine Wüste oder eine Dschungelwildnis,41 nur dass alles besser ausgeschildert war.42 Wie toll es vor langer Zeit gewesen sein muss, bevor43 es Geschäfte und Schnellstraßen und Imbissbuden gab,44 als die Welt noch unbekannt war. Mit Stöcken bewaffnet45 schlugen wir uns den Weg durch leicht überwachsene Wege46 frei, folgten unserem Kompass auf endlosen Fußwegen,47 erklommen mehrstöckige Parkhäuser, um besser sehen zu48 können, und machten uns sorgfältig Notizen in ein Schreibheft.49 Doch obwohl wir in aller Frühe aufgebrochen waren, waren50 wir am Nachmittag, als wir eigentlich schon wieder zurück51 sein und auf unseren Sitzsäcken Comic-Sendungen schauen52 wollten, von der fraglichen Gegend noch meilenweit entfernt.53 Der Reiz des Neuen, den unser Abenteuer bedeutete,54 nutzte sich ab, aber weniger, weil uns die Füße wehtaten55 und wir einander ständig gegenseitig die Schuld gaben,56 dass wir die Sonnencreme vergessen hatten. Es gab noch57 etwas anderes, das wir nicht genau erklären konnten.58 Je weiter wir uns vorwagten, desto ähnlicher sah alles59 aus, als wäre jede neue Straße, jeder Park, jedes Einkaufszentrum60 lediglich eine weitere Version der unseren, gebaut aus61 demselben riesigen Baukasten. Nur die Namen waren anders.62 Als wir endlich die letzte Steigung erreicht hatten,63 wurde der Himmel rosa, die Bäume wurden dunkel, und64 wir freuten uns auf nichts anderes, als uns hinzusetzen65 und die Füße auszuruhen. Die unvermeidliche Siegesrede,66 die ich im Geist vorbereitet hatte, erschien mir jetzt67 als sinnloser Haufen Wörter. Mir war nicht mehr nach68 Schadenfreude. Wahrscheinlich ging es meinem Bruder69 genauso. Wie immer der ungeduldige Reisegefährte, war70 er weit vorausgegangen, und als ich ihn erreichte, saß71 er mit dem Rücken zu mir mitten auf der Straße und ließ72 die Beine über den Rand hängen.73 »Jetzt schulde ich dir wohl zwanzig Dollar«, sagte74 ich.75 »Jo«, sagte er.76 Ich habe vergessen zu erwähnen, dass mich noch etwas77 an meinem Bruder ärgerte: Er hat fast immer recht.

Shaun Tan. Geschichten aus der Vorstadt des Universums. Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. 2020 Aladin/Thienemann-Esslinger Verlag Stuttgart. S. 84–89.

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Diese Geschichte bietet dir zwei große Themen, zu denen du dir Gedanken machen kannst. 

Die beiden Brüder

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Sei ein Detektiv und finde alles über die beiden Brüder heraus, was der Text hergibt. 

Findet mehr heraus über die Brüder


In Partnerarbeit:

Beantwortet die Fragen. Sucht im Text die Stellen, die eure Antworten beweisen und notiert die Zeilenangabe.

1. Beschreibt den Erzähler und seinen Bruder. Sucht im Text nach Hinweisen, die euch etwas über diese beiden Figuren erzählen.

2. Was machen die beiden gemeinsam? Erstellt eine Liste.

Schreibstube zur Aufgabe
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Stellt die Brüder als Kunstwerk dar

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Urheber: Tibor Janosi Mozes

https://pixabay.com/de/photos/ballett-theater-tanzen-akrobat-1657522/

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Zwei Personen können eine Skulptur sein!

Wie könnte eine Skulptur aussehen, die das Verhältnis der beiden Brüder darstellt? Entwickelt eine passende Körperhaltung, Mimik und Gestik.
Stellt mit euren Körpern diese Skulptur: Ihr seid wie Statuen!

Eure Klasse wird dann beschreiben, was sie darin sieht.

Die Welt in der Geschichte

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1. Schritt

Und was ist da?

Am Ende der Geschichte sitzen die Brüder und lassen ihre Beine über der Rand baumeln. Es wird nicht beschrieben, was sie sehen oder welcher Rand genau gemeint ist.
Wie könnte die Geschichte weitergehen? Schreibe eine Fortsetzung.

§ Cc4
Auswertung